Wie ist es, tausend Tage im Krieg zu leben? Das haben wir Menschen im Osten der Ukraine gefragt, die von CARE Nothilfe erhalten.
„Es gibt kein Leben. Wir sitzen im Keller. Es gibt den Keller und sonst nichts“, sagt Tetiana aus Pokrovsk in der Region Donetsk. Seit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine sind tausend Tage vergangen. Die Auswirkungen auf die Bevölkerung sind nach wie vor verheerend. Seit 24. Februar 2022 wurden fast 12.000 Menschen getötet und rund 26.000 verletzt. „Diese tausend Tage waren sehr hart, extrem schwierig“, sagt Larysa (68). Sie musste ihr Haus verlassen. Zum Leben hat sie nur eine kleine Pension und ist von humanitärer Hilfe abhängig. „Wir wissen nicht, ob Vertriebene weiter Unterstützung bekommen werden“, sagt Larysa.
„Du siehst ein Kind auf der Straße, das miterleben muss, wie dort vor ihm beide Eltern sterben“, sagt Olha (72) aus Sloviansk. „Was soll aus ihm werden? Das ist kein Leben. Du würdest das deinem schlimmsten Feind nicht wünschen. Es wäre besser, wenn niemand jemals sehen müsste, wie Krieg ist.“ Innerhalb der Ukraine sind 3,6 Millionen Menschen als Vertriebene registriert. Weitere 4,2 Millionen haben in Ländern der Europäischen Union Schutz gesucht. Manchmal kehren Frauen und Kinder wegen finanzieller Schwierigkeiten in ihre Häuser in gefährlichen Frontgebieten zurück, wenn sie an einem anderen Ort keine Arbeit finden oder sich die Miete nicht leisten können.
Jetzt steht die Ukraine vor dem dritten Winter im Krieg. Mit der Kälte verschärft sich die Not der Menschen. Strom und Heizung fallen oft aus oder sind gar nicht mehr vorhanden, weil die Infrastruktur vernichtet ist. Viele verloren ihr Zuhause. Fast 144.000 Wohngebäude wurden zerstört oder beschädigt sowie 1.900 Gesundheitseinrichtungen und fast 3.800 Schulen und Bildungszentren. Es ist schwierig, eine sichere Unterkunft zu finden oder Zugang zu medizinischer Versorgung.
„Es gibt keine Worte, um das zu beschreiben. Du weißt nie, ob es dich trifft oder wo. In einem Moment ist alles ruhig und im nächsten kann etwas Schreckliches passieren“, sagt Olena (37) aus Sloviansk. „Wenn du hörst, wie etwas vorbeizischt, landet es woanders. Es können kleine Trümmer fliegen, aber es ist nicht so bedrohlich. Wenn es direkt zu dir kommt, hast du keine Zeit mehr, etwas zu fühlen oder dich zu verstecken. Eine Sekunde und du bist weg.“ Natalia (69) sagt, dass sie den Frieden vermisst. „Wir möchten, dass unsere Kinder und unsere Enkelkinder zurückkommen und das Glück wiederkommt. Ich kann nicht aus dem Haus gehen, weil es gefährlich ist. Ich sitze in einen Teppich gewickelt im kalten Keller.“
CARE ist Teil der Ukraine-Hilfe von "Nachbar in Not". Foto: NIN
„Wir erleben jetzt, wie die internationale Unterstützung und die weltweite Aufmerksamkeit für die Lage in der Ukraine abnehmen“, sagt Franziska Jörns, stellvertretende Landesdirektorin von CARE Ukraine. Dabei ist der Bedarf an Hilfe riesig, damit die Menschen durch die harten Wintermonate kommen. Mit Partnerorganisationen widmet sich CARE z.B. der Reparatur von Unterkünften und versorgt die Menschen mit Winterkleidung und Heizmaterial. Auch der Bedarf an umfassender psychosozialer Unterstützung ist hoch, da der Konflikt bleibende psychische Narben hinterlassen hat. Insbesondere Frauen und Kinder erlitten ein anhaltendes Trauma. CARE und ukrainische Partnerorganisationen haben bislang fast 1,5 Millionen Ukrainer:innen unterstützt.
„Es ist ein Horror. Es ist ein andauernder emotionaler und psychischer Druck wegen der Unsicherheit. Es ist unmöglich, Pläne zu machen, Träume zu verwirklichen oder auch nur irgendwo hinzugehen“, sagt Maya, eine Psychologin, die für einen Partner von CARE arbeitet. „Es sind tausend Tage Angst. Tausend Tage, in denen man lernt, wie es ist, geliebte Menschen zu verlieren. Es ist eine Menge Elend, Trauer und Tod“, sagt Marina (61) aus Donetsk. „Es ist, als hätte jemand die Pausetaste (in unserem Leben) gedrückt. Jeder wartet und hofft“, sagt Alla (36) aus Sloviansk.
CARE und seine Partner werden weiter Hilfe leisten, damit die Menschen in der Ukraine den Winter überstehen. Lesen Sie hier mehr: