Weltweit leben 600 Millionen Frauen in einem Umkreis von 50 Kilometern zu einer Konfliktzone – mehr als doppelt so viele wie in den 1990er-Jahren. Entgegen verbreiteter Vorstellungen sind Frauen in Krisensituationen nicht unsichtbar oder vor allem Opfer, sondern nehmen aktiv führende Positionen ein und treiben den Wiederaufbau voran. Das zeigt ein neuer Bericht von CARE.
Der Bericht basiert auf Umfragen aus 15 Konfliktländern, darunter Ukraine, Jemen, Kolumbien, Syrien und Gaza. Von den 13.000 befragten Frauen gaben 91 Prozent an, aktiv dazu beizutragen, ihre Gemeinschaften zu unterstützen – besonders bei der Sicherung der Lebensgrundlagen. Sie helfen Flüchtlingen mit Essen und Unterkünften, sind Alleinversorgerinnen ihrer Familien und setzen sich gemeinsam für positive Veränderungen ein. 79 Prozent der Frauen suchen Wege, ihr Lebensumfeld sicherer zu machen, 71 Prozent der Frauen leisten Hilfe im Bereich Gesundheit.
„Die Frauen, mit denen wir sprachen, stehen trotz Herausforderungen und fürchterlichen Erlebnissen an vorderster Front. Sie erleben sexuelle Gewalt, verlieren ihre Existenzgrundlage und sind mit einem drastischen Rückgang der Gesundheitsversorgung konfrontiert. Das führt zu zunehmenden Sterberaten, selbst bei vermeidbaren Ursachen. Wir müssen mehr dagegen tun“, sagt CARE-Mitarbeiterin Emily Janoch, eine der Autorinnen des Berichts. „Die Anerkennung der führenden Rolle von Frauen in Konfliktsituationen und auf dem Weg zum Frieden ist entscheidend.“
Zu den weiteren Ergebnissen des Berichts gehören:
Fehlende Grundversorgung: 58 Prozent der befragten Frauen gaben an, dass sie Hilfe für ihren Lebensunterhalt benötigen. Für 41 Prozent sind fehlende Nahrungsmittel eines der größten Probleme eines Konflikts.
Steigende sexuelle Gewalt: Mehr als 257 Millionen Frauen leben in Ländern, aus denen Berichte über sexuelle Gewalt in Konflikten vorliegen.
Erhöhte Müttersterblichkeit: Jede zweite Frau, die während der Schwangerschaft oder bei der Geburt stirbt, lebt in einem Konfliktgebiet.
Kein Mitspracherecht: Formale Führungsstrukturen schließen Frauen aus. Das gefährdet Frieden und Wohlstand für alle.
Frauen sind in der Berichterstattung über Konflikte unsichtbar: Nur fünf Prozent der Online-Artikel über Konflikte in den letzten zehn Jahren befassen sich mit den Erfahrungen von Frauen.
Hier sind ein paar Stimmen von Frauen aus dem Bericht. „Wir haben hunderten Haushalten geholfen. Dank unserer Gruppen haben verzweifelte Familien, die auf der Flucht vor dem Konflikt alles verloren hatten, Zugang zu Lebensmitteln. Wir haben nicht gewartet, wir haben sofort Hilfe geleistet. Hätten wir gewartet, hätten einige dieser Vertriebenen nicht überlebt“, berichtet eine Frau aus Mali. „Frauen nehmen die Rolle ein, die früher Männer hatten“, sagt eine Frau aus Somalia. „Wir haben keine andere Wahl als unser Leben zu riskieren, um zu überleben. Es ist besser zu sterben, während man sich bemüht, seine Familie zu versorgen, als sie hungern zu sehen“, meint eine Frau aus Nigeria.
„Angesichts der Bedrohung und des Mangels fand ich Stärke in der Solidarität. Ohne Geld, aber mit der Entschlossenheit zu helfen, baute ich ein Netzwerk von Frauen auf. Wir teilen, was wir haben. Von Babyausstattung bis zu lebenswichtigen Dingen verteilen wir Hilfe nicht nur unter uns, sondern auch an andere von Frauen geführte Haushalte, von denen wir wissen, dass sie bei Verteilungen keinen Zugang zu Hilfsgütern bekommen würden“, beschreibt eine Frau aus Gaza, wie sie Hilfe leistet. „Jede Frau sollte Bildung erhalten. Als ich lernte, den Namen meiner Tochter zu lesen, war das der glücklichste Moment in meinem Leben“, erzählt eine Frau aus Syrien. „Ich bin stolz darauf, dass ich lesen kann. Und ich bin stolz auf meine Kinder, denn sie haben mich motiviert, eine Ausbildung zu machen.“
Methodik: In den letzten mehr als zehn Jahren hat CARE mit seinen Rapid Gender Analyses (seit 2013) und seinen Women Respond Reports (seit 2020) eine Vielzahl von Aussagen und Perspektiven von Frauen auf der ganzen Welt gesammelt, um zu untersuchen, wie sie Krisen erleben und führen. Der Bericht „Women in War“ stützt sich auf einen Großteil dieser Forschung sowie auf öffentlich zugängliche Datensätze.
"Wir verteilen Hilfsgüter an Frauen, die alleine für ihre Familien sorgen", berichtet eine Frau aus Gaza. Foto: Yousef Ruzzi/CARE
"Wir haben nicht gewartet. Wir haben Geflüchteten sofort geholfen", sagt eine Frau aus Mali. Foto: Studio Fulany
"Ich muss stark sein." Wie Victoria arbeiten viele Frauen in der Ukraine in der Verteilung von Hilfsgütern. Foto: Roman Yeremenko/CARE
"In meiner Kindheit durfte ich nicht in die Schule. Als ich als Mutter lesen lernte, war das der glücklichste Tag meines Lebens", berichtet eine Frau aus Syrien. Foto: Mohamad Shaker/CARE
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