Gaza: Ramadan
im Schatten von
Hunger und Krieg

Für 1,6 Milliarden Muslim:innen auf der ganzen Welt hat vor kurzem der Fastenmonat Ramadan begonnen. Am Ende des Tages kommen die Menschen mit ihren Familien zusammen, um das Fasten zu brechen. Für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen wird dieser Ramadan eine harte Zeit. 2,3 Millionen Menschen stehen am Rande einer Hungersnot. Das Zuhause vieler Familien liegt in Trümmern, über 80 Prozent der Einwohner:innen mussten schon mehrmals fliehen. CARE sprach mit Binnenvertriebenen in Rafah darüber, was der diesjährige Ramadan für sie bedeutet.

„Ich habe Angst, dass der Krieg niemals enden wird“

Lara hält ihr Kind und eine Lampe. Lara hält ihr Kind und eine Lampe.

Lara, Mutter von sechs Kindern, betet für alle Kinder, die hungern und ihre Eltern verloren haben. Foto: CARE/Yousef Ruzzi

„Seit Oktober haben wir in verschiedenen Unterkünften und an verschiedenen Orten gelebt. Hier in Rafah leben wir in einem Zelt. Ich verbringe meine Tage damit, viele Kilometer zu laufen, um Wasserflaschen für meine Kinder aufzufüllen. Jeden Tag habe ich Angst, dass ich meine Kleinen nicht ernähren kann. Die Preise sind sehr hoch. Viele der nahrhaften Lebensmittel, die Kinder brauchen, sind nicht erhältlich. Der Monat Ramadan ist für mich etwas ganz Besonderes. Es ist ein Monat der Ruhe und des Betens, eine Zeit der Freude. Der Krieg hat alles verändert. Ich habe Angst vor der angekündigten Bodeninvasion. Ich habe Angst, dass dieser Krieg nie aufhören wird, dass wir immer unter diesen schrecklichen Umständen leben müssen. Normalerweise holen wir während des Ramadans unsere schönen Gläser und Teller heraus und putzen unser Haus. Jetzt haben wir kein Haus mehr zum Putzen. Familien können nicht mehr vollständig zusammenkommen, weil viele ihrer Mitglieder tot sind. Ich denke nur an die Menschen, die wir verloren haben. Ich denke an die Kinder im nördlichen Teil des Gazastreifens, die verhungern. Mein größter Wunsch ist, dass sich die Menschen wieder sicher fühlen können. Wir brauchen ein Ende dieses Krieges. Ich bete für die Kinder, die hungern, die ihre Mütter und Väter verloren haben, und die noch nicht wissen, ob ihre Eltern leben oder tot sind.“

„Ich möchte, dass es meinen Kindern gut geht“

Faisal, seine Frau und eines ihrer Kinder in ihrem Zelt in Rafah, Gaza. Faisal, seine Frau und eines ihrer Kinder in ihrem Zelt in Rafah, Gaza.

Faisal und seine Frau wünschen sich, dass ihre zwei Söhne und zwei Töchter sicher sind. Foto: CARE/Yousef Ruzzi

„Die letzten fünf Monate haben wir in Angst und Schrecken gelebt. Rafah gilt als der sicherste Ort im Gaza-Streifen. Aber er ist nicht sicher. Nirgendwo in Gaza ist es sicher. Ich kann nicht mehr arbeiten und meine Familie ernähren. Früher hatten wir genug zu essen und genossen unsere Zeit als Familie. Jetzt hat sich alles verändert. Wir können nicht mehr in unser Haus zurück. Ich würde gerne nachsehen, ob es noch da ist, und Dinge mitnehmen, die uns wichtig sind. Meine Kinder sind noch sehr klein. Sie haben immer Angst, wenn ich nicht in der Nähe bin. Deshalb versuche ich, nie von ihrer Seite zu weichen. Normalerweise würde ich während des Ramadans gutes Essen und Kleidung für meine Kinder kaufen. Es gibt nichts Wichtigeres für mich, als dafür zu sorgen, dass meine Kinder diesen Horror überleben. Es ist schwer, weil sie mich um Dinge, wie zum Beispiel Essiggurken oder Atayef (gefüllte Pfannkuchen), bitten. Aber die Preise sind so hoch, dass ich ihnen nicht geben kann, was sie wollen. Meine größte Hoffnung ist, dass alle in ihre Häuser zurückkehren, ein Leben in Würde führen und wir wieder frische und gesunde Lebensmittel essen können. Ich hoffe, dass ich es schaffe, meinen Kindern trotzdem einen schönen Ramadan zu bereiten. Ich möchte, dass es ihnen gut geht und sie sicher sind.“

„Es gibt keinen Seelenfrieden, keine Erleichterung“

Ali dekoriert sein Zelt für den Ramadan. Ali dekoriert sein Zelt für den Ramadan.

Ali wünscht sich, dass alle in ihr Zuhause zurückkehren und in Frieden leben können. Foto: CARE/Yousef Ruzzi

„Ich bin 65 Jahre alt, aber ich fühle mich bereits wesentlich älter. Wir wurden schon dreimal vertrieben und leben jetzt in einem Zelt in Rafah. Jeden Abend, wenn wir zu Bett gehen, fragen wir uns, ob diese Nacht eine friedliche sein wird. Jeden Morgen, wenn wir aufwachen, fragen wir uns, ob wir noch am Leben sind. Es geht uns nicht gut, weder psychisch noch physisch. Alles ist schwer. Der Monat Ramadan ist normalerweise gefüllt mit Großzügigkeit, Mitgefühl, Familie und Gebeten. Tagsüber arbeiten wir, wir beten, wir gehen in die Moschee, und abends genießen wir das Fastenbrechen, das Iftar, mit unseren Freunden und unserer Familie. Im Ramadan dreht sich alles um unser Zuhause und unsere Familie. Aber so viele von uns haben einen geliebten Menschen verloren. Die meisten haben kein Zuhause, in das sie zurückkehren können. Das Leben in einem Zelt ist schwierig. Um uns herum sind Fremde. Alles ist überfüllt und wir müssen jeden Tag Wasser von weit herholen. Alles, was man für ein gutes Leben braucht, fehlt. Es gibt keinen Seelenfrieden, keine Erleichterung. Wir warten ständig darauf, dass noch Schlimmeres passiert. Verlust und Tod sind überall. Jeden Tag hören wir von Familienmitgliedern und engen Freunden, die gestorben sind. In jedem Zelt gibt es Menschen, die verletzt wurden und Schmerzen leiden. Mein größter Wunsch für diesen Ramadan ist, dass wir in unsere Häuser zurückkehren und alle in Frieden leben können.“

„Alle meine Träume sind zerstört“

Fairouz dekoriert ihr Zelt für den Ramadan. Fairouz dekoriert ihr Zelt für den Ramadan.

Fairouz wünscht sich, sie könnte das Lachen ihrer Schwestern wieder hören. Foto: CARE/Yousef Ruzzi

„Kurz bevor der Krieg begann, haben mein Mann und ich geheiratet. Alles in meinem Leben schien voller Möglichkeiten zu sein. Wir zogen in ein neues Haus. Mein Mann und ich planten, eine Familie zu gründen. Ich hatte so viele Träume. Plötzlich wurde mir das alles genommen. Meine Träume haben sich in Luft aufgelöst. Wir leben jetzt in einem Zelt. Alles hat sich verändert. Ich hatte mich so auf meinen ersten Ramadan mit meinem Mann gefreut – darauf, Essen für alle zu kochen und Menschen zusammenzubringen. Jetzt fasten wir nur noch. Ansonsten ist er genauso schrecklich wie alle anderen Tage, die wir in unserem Zelt verbringen. Unsere Situation hier ist schwierig. Wegen der schlechten hygienischen Verhältnisse sind wir ständig krank. Für mich als Frau gibt es keine Privatsphäre, vor allem nicht in den Badezimmern. Ich habe so gut wie alles verloren: mein Leben, meine Arbeit, meine Sicherheit und meine Geborgenheit. Mehr als alles andere wünsche ich mir einen Ort, an dem ich mich sicher fühlen kann. Ich möchte mich mit meinen Schwestern treffen und ihr Lachen wieder hören. Ich fühle mich gefangen. Wir hatten so viel Glück. Ich habe das Gefühl, dass ich erst jetzt erkenne, wie viel Glück ich hatte, nach allem, was ich verloren habe. Ich wünschte, ich könnte zu dem Leben zurückkehren, das wir früher führten: zu meiner Arbeit, zu den Treffen mit unserer Familie und unseren Freunden, zu unseren Häusern. Ich möchte mich wieder sicher fühlen.“

*Alle Namen wurden zum Schutz der Personen geändert.

  • Haltung von CARE CARE Österreich verurteilt zutiefst den brutalen Terrorangriff auf Israel vom 7. Oktober sowie jegliche Gewalt gegen Zivilbevölkerungen. CARE fordert daher die sofortige Einstellung der Kampfhandlungen und die Einhaltung des humanitären Völkerrechts von allen Konfliktparteien, den ungehinderten Zugang von humanitärer Hilfe nach und innerhalb von Gaza, die Evakuierung von Kranken und Verletzten sowie die Freilassung aller Geiseln. Die Arbeit von CARE orientiert sich ausschließlich am humanitären Mandat und den Menschenrechten.

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