Hilfe im Krieg: „Ich sehe, was wir bewirken“

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Anfangs dachte Walaa, es seien Feuerwerkskörper. Es war Ramadan, der Tag hatte friedlich mit Gebeten begonnen. Dann schlug eine Kugel in das Haus der CARE-Nothelferin in Khartum ein. Draußen schrien Menschen. Der Strom fiel aus. Die Luft war voller Rauch. Es war Krieg.

Sie erhielt eine Nachricht vom Sicherheitsteam: „Geht weg von den Fenstern. Bleibt geduckt. Bleibt in der Mitte des Raumes.“ Fünf Tage lang versteckten sich Walaa und ihre Familie in der Dunkelheit – ohne Wasser, ohne Strom. Die dringend benötigte Dosis Insulin für ihren Vater rationierten sie von viermal auf einmal täglich. Am sechsten Tag wurden die Schüsse heftiger. Dann erhielt Walaa eine neue Nachricht: Evakuierung.

„Sprich mit niemanden“

Zur gleichen Zeit saß ihr Kollege Takunda aus Simbabwe in einer CARE-Unterkunft in Khartum fest – umzingelt von bewaffneten Gruppen. Für Walaa gab es kein Zögern: Sie musste ihn da rausholen. Tag und Nacht hing sie am Telefon, wählte Nummern, flehte, verhandelte. Die Antwort war immer dieselbe: „Es ist zu gefährlich. Niemand wird dorthin gehen.“

Schließlich konnte sie ein Auto organisieren, das auf Takunda wartete. Walaa beschrieb ihrem Kollegen die Fluchtroute bis ins kleinste Detail. „Sprich mit niemandem“, warnte sie ihn. „Wenn sie dich anhalten, antworte nicht. Wenn sie merken, dass du kein Sudanese bist, dann wirst du zum Ziel.“

CARE-Mitarbeiter Takunda steht auf der Dachterrasse mit Blick über sudanesische Stadt CARE-Mitarbeiter Takunda steht auf der Dachterrasse mit Blick über sudanesische Stadt

„Ich wurde in meinem Leben viermal evakuiert, aber ich mache weiter, weil ich an meine Arbeit glaube“, sagt Takunda. Foto: CARE

Takunda hat in seiner humanitären Laufbahn bereits mehr überlebt als die meisten Menschen: Er wurde 2019 aus Syrien, 2020 während der Corona-Pandemie aus dem Sudan und 2021 aus Afghanistan evakuiert. Aber im April 2023 war er allein und gefangen in Khartum.

„Vor dem Haus wurde so viel geschossen. Ich konnte nicht schlafen. Die Angst hielt mich wach. Ich dachte ständig an meine Kinder und wünschte mir, ich könnte mehr Zeit mit ihnen verbringen. Als Walaa mir sagte, ich müsse das Auto suchen, holte mich die Realität ein. Ich musste jetzt handeln oder nie.

Takunda schaffte es zum Auto, das ihn zum Evakuierungspunkt brachte. Um 3 Uhr morgens verließ ein Konvoi Khartum: 50 Busse, in denen internationale Helfer:innen saßen, fuhren in Richtung Port Sudan.

Auf der Flucht

Walaa blieb währenddessen die ganze Nacht wach: Sie koordinierte, bestätigte und überprüfte die Fahrer. Dann musste sie selbst fliehen – mit 35 Familienmitgliedern, die sich auf der Ladefläche eines kleinen LKWs drängten, verließ sie Khartum.

Es war kein Platz für irgendetwas anderes. Nur für Menschenleben. Wir haben all unsere Habseligkeiten zurückgelassen. Das Einzige, was ich mitgenommen habe, war mein CARE-Laptop, weil ich weiterarbeiten musste. Meinen privaten ließ ich zurück.“

CARE-Mitarbeiterin Walaa telefoniert mit Handy vor beiger Wand mit Eisengitter CARE-Mitarbeiterin Walaa telefoniert mit Handy vor beiger Wand mit Eisengitter

Trotz der Vertreibung und trotz des Traumas arbeitet Walaa weiter, um Menschen in Not zu helfen. Foto: CARE

Die Familie erreichte Walaas Heimatstadt in den Bergen. Walaa dachte daran, wie oft sie in ihrer Arbeit Menschen kennengelernt hatte, die geflohen waren. „Jetzt war ich eine von ihnen. Ich fragte mich, ob ich mein eigenes Haus in Khartum jemals wiedersehen würde.“

Jeden Tag suchte Walaa einen Felsen neben einem Hügel auf. Nur dort hatte sie Netzempfang. So konnte sie weiter an Besprechungen teilnehmen, Zahlungen freigeben und lebensrettende Lieferungen koordinieren.

Sie arbeitete – trotz der Vertreibung, trotz des Traumas, trotz einer Verletzung und sogar vom Krankenhausbett aus. „Ich bin die Einzige in meiner Familie, die sie finanziell unterstützen kann. Ich muss für sie arbeiten, damit sie überleben.“

„Ich mache weiter, weil ich an meine Arbeit glaube“

CARE-Mitarbeiterin Walaa und CARE-Mitarbeiter Takunda im Gespräch vor CARE-Informationstafeln im Büro CARE-Mitarbeiterin Walaa und CARE-Mitarbeiter Takunda im Gespräch vor CARE-Informationstafeln im Büro

Heute arbeiten Walaa und Takunda weiter für CARE im Sudan, nun vom wiedereröffneten Büro in Port Sudan. Foto: CARE

Takunda arbeitete zunächst aus Nairobi, kehrte aber nach Port Sudan zurück, wo CARE ein Büro wiedereröffnen konnte. Dort unterstützt er Bäuerinnen und Bauern, die wegen der anhaltenden Kämpfe ihre Aussaat verpasst hatten. „Ich sehe, was wir bewirken“, sagt Takunda. „Das gibt mir Kraft. Und ja, es ist riskant. Ich wurde in meinem Leben viermal evakuiert, aber ich mache weiter, weil ich an meine Arbeit glaube.“

Auch Walaa arbeitet mittlerweile wieder vom Büro in Port Sudan aus. „Ich mache jeden Tag meine Arbeit unter schwierigen Bedingungen. Was die Support-Mitarbeiter:innen vor Ort leisten, wird oft nicht gesehen, aber wir sind hier und arbeiten weiter, damit andere nicht alles verlieren. Selbst wenn das bedeutet, in der Hitze neben einem Berg zu stehen, um eine Internetverbindung zu finden.“

Zum Welttag der Humanitären Hilfe am 19. August ehren wir diejenigen, die weitermachen – auch wenn alles andere zum Stillstand gekommen ist.

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