Krieg in der Ukraine: „Die Kinder gehen ins Ungewisse“

Was brauchen die Menschen in der Ukraine derzeit am dringendsten?

Wir haben mit Petr Štefan von „People in Need“, der Partnerorganisation von CARE in der Ukraine, gesprochen. Der Nothelfer war bis vor wenigen Tagen selbst im Westen des Landes im Einsatz.

Petr Štefan (People in Need): Im Osten des Landes sind die Menschen direkt in der Konfliktzone. Dort brauchen sie Lebensmittel, Wasser, Bargeld und psychosoziale Hilfe. Im Westen der Ukraine sammeln sich die Familien nach der Flucht in Notquartieren. Dort können sie sich ausruhen, bis sie weiter in den Westen und in andere Länder reisen. Manche wollen dort abwarten, was in der Zukunft passiert, bis sie vielleicht wieder nach Hause zurückkehren können. Der größte Bedarf besteht hier in der Ausstattung mit zum Beispiel Matratzen, Kissen, Bettlaken und Heizungen. Unter den Vertriebenen sind vor allem Frauen und Kinder, weil die Männer zwischen 18 und 60 Jahren zur Armee eingezogen werden. Männer müssen sich von ihren Familien verabschieden. Sie werden von ihnen getrennt. Und dann gehen Frauen und Kinder in eine sehr ungewisse Zukunft.

Können Sie uns etwas über die Menschen erzählen, die Sie bei der Übergabe der humanitären Hilfe getroffen haben? 

Petr Štefan: Ich habe vor allem Frauen und Kinder im Westen der Ukraine getroffen. Sie sind alle sehr dankbar für die Unterstützung, die wir ihnen geben können. Sie haben alle eine sehr ähnliche Geschichte: Zu Beginn der Invasion versteckten sie sich, manchmal viele Tage lang. Manche waren mit ihren Kindern fünf Tage lang in ihren Kellern, anderen Unterkünften oder Bunkern. Sie hörten viel Beschuss, viele Kämpfe, viele Luftangriffe. Sie sind also sehr verängstigt. Sie haben sich lange Zeit versteckt und dann beschlossen, zu gehen. Und so sieht ihre Reise aus: Die meisten nehmen einen Zug, und es dauert viele Stunden, bis sie den Westen erreichen. Ich habe Geschichten von Menschen gehört, die 30 Stunden im Zug verbrachten, der nicht beheizt und in dem es sehr kalt war. Der Zug war überfüllt mit Menschen. Die Kinder weinten.

Frau sitzend mit Kind im Arm, Ukraine Frau sitzend mit Kind im Arm, Ukraine

Welche Hilfsgüter werden dringend benötigt?

Petr Štefan: Was die Menschen im Moment am meisten brauchen, sind Lebensmittel und Wasser, aber sie freuen sich auch über jede Hilfe mit Hygieneartikeln. Nehmen wir Windeln als Beispiel – das ist eines der größten Probleme. Außerdem werden psychosoziale Dienste benötigt, die wir von „People in Need“ leisten. Wir wollen das Angebot ausbauen und mobile Teams für Einzel- oder Gruppenberatung einsetzen. Denn Mütter sagen mir, dass sie nicht wissen, wie sie mit ihren Kindern über den Krieg sprechen sollen. Das ist schwierig. Die Kinder wissen, dass etwas passiert ist. Sie wissen, dass sie auf der Flucht sind. Die Kinder sind natürlich auch traumatisiert. Vielleicht ist das Trauma noch nicht sichtbar, aber es könnte sich in ein paar Wochen oder Monaten zeigen. Sie brauchen also Spezialist:innen, die ihnen helfen.

Was ist der wirksamste Weg, die Menschen in der Ukraine zu unterstützen?

Petr Štefan: Wir sehen viele Aktivitäten von Menschen, die helfen wollen. Aber es hat keinen Sinn, einen kleinen Lieferwagen zu beladen und in die Ukraine zu fahren, um zu helfen. Dadurch wird die Belastung an der Grenze nur noch größer. In der Tschechischen Republik zum Beispiel hat man die Menschen bereits gebeten, nicht mit ihren privaten Hilfslieferungen an die Grenze zu kommen. Sie können wirksam Hilfe leisten, wenn Sie sich an Spendenaktionen oder am Nothilfeaufruf von Hilfsorganisationen beteiligen. Damit können wir das Geld sofort und effektiv einsetzen. „People in Need“ hat bereits drei volle Frachtzüge in die Ukraine geschickt und so Hilfsgüter geliefert.

CARE unterstützt mit „People in Need“ die Frauen und Kindern in der Ukraine und nach der Flucht in den Nachbarländern. Bitte helfen Sie mit Ihrer Spende!

 

Mutter mit Baby, Ukraine, Flüchtlinge Mutter mit Baby, Ukraine, Flüchtlinge
Zurück nach oben