Wien, 5. Mai 2022. Ein neuer Bericht von CARE und UN Women legt offen, wie Frauen und Minderheiten in der Ukraine durch den Krieg mit negativen Auswirkungen wie Diskriminierung, schlechter Gesundheitsversorgung und Armut zu kämpfen haben.

Durch den Krieg ist die Arbeitslosigkeit in der gesamten Bevölkerung und damit die Armut gestiegen. „Es besteht vor allem für Frauen die Gefahr, in den ungeschützten, informellen Sektor der Wirtschaft gedrängt zu werden“, so Andrea Barschdorf-Hager, Geschäftsführerin von CARE Österreich. „Frauen leisten nun noch mehr unbezahlte Betreuungsarbeit als zuvor, da die Nachfrage nach Freiwilligenarbeit steigt, Schulen geschlossen sind und die Männer zu den Streitkräften einberufen werden. Wir können von einem Rückschritt in der Geschlechtergleichstellung sprechen.“

Hinzu kommt die mangelnde Gesundheitsversorgung, insbesondere für Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt, Schwangere und Mütter. Die Angst vor geschlechtsspezifischer Gewalt und vor fehlenden Lebensmitteln steigt, vor allem bei den Menschen, die sich in schwer umkämpften Konfliktgebieten befinden.

Fehlende Mitsprache in Entscheidungsprozessen

Seit Beginn des Krieges sind viele Frauen allein für ihre Familien verantwortlich und übernehmen Führungsaufgaben in der humanitären Arbeit. Sie versorgen Krankenhäuser und Privatpersonen mit Medikamenten und Lebensmitteln, sie kümmern sich um ihre Angehörigen und Kinder mit Behinderungen. Dennoch bleiben sie von formalen Entscheidungsprozessen auf Verwaltungsebene, in der humanitären Hilfe und im Friedensprozess weitgehend ausgeschlossen. „Wir sehen, dass Frauen bei der humanitären Hilfe in ihren Gemeinden eine wichtige Rolle spielen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass sie sinnvoll in die formellen Planungs- und Entscheidungsprozesse einbezogen werden“, sagt Sima Bahous, Exekutivdirektorin von UN Women.

Diskriminierung von Minderheiten

Die Auswirkungen des Krieges sind auch für marginalisierte Gruppen verheerend. Viele Befragte aus Roma-Gemeinschaften, deren Zahl in der Ukraine vor dem Krieg auf rund 400.000 Menschen geschätzt wurde, gaben etwa an, von schwerer Diskriminierung betroffen zu sein. Sie werden bei Unterkünften abgelehnt, sind schlecht über Hilfsleistungen informiert und ihnen fehlen die notwendigen Papiere, um über die Grenze zu fliehen.

„Der unterschiedliche Bedarf von bestimmten Gruppen, wie Menschen mit Behinderungen, Roma und anderen ethnischen Minderheiten, alleinerziehenden Müttern und unbegleiteten Kindern muss in jedem Hilfsprogramm dringend berücksichtigt werden“, so Barschdorf-Hager.

Die wichtigsten Empfehlungen des Berichts von CARE und UN Women:

  • Die humanitäre Hilfe muss den unterschiedlichen Bedürfnissen von Frauen und Männern, Mädchen und Jungen sowie verschiedener Minderheiten – insbesondere der Roma-Gemeinschaft, älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen – gerecht werden.
  • Der Zugang zu Notunterkünften sollte integrativ und diskriminierungsfrei sein. Es sollten Unterkünfte angeboten werden, die nach Geschlechtern und/oder Familien getrennt sind.
  • Lücken bei sozialen Diensten zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt müssen dringend geschlossen werden.
  • Sexuelle und reproduktive Gesundheit sowie die Gesundheitsversorgung von Müttern, Neugeborenen und Kindern müssen Priorität werden. Dazu gehört auch die klinische Versorgung von Überlebenden sexueller Gewalt und die Gewährleistung des Zugangs zu Verhütungsmitteln.
  • Frauen und junge Menschen müssen die humanitäre Hilfe gleichberechtigt leiten und an Entscheidungsprozessen beteiligt sein.
  • Frauen und Frauenrechtsorganisationen, die humanitäre Hilfe leisten, müssen mit finanziellen Mitteln und der Stärkung ihrer Stimmen auf nationalen und internationalen Plattformen unterstützt werden.
  • Unter der Berücksichtigung von sich verändernden Geschlechterrollen sollten vertriebene Frauen und Männer Optionen für eine Berufsausbildung und den Verdienst des eigenen Lebensunterhalts erhalten.

Hintergrund des Berichts: Die Analyse basiert auf Umfragen und Interviews mit Menschen in 19 Regionen der Ukraine, die zwischen dem 2. und 6. April 2022 durchgeführt wurden. Im Fokus der Studie steht die geschlechtsspezifische Dynamik der Krise sowie Empfehlungen zur gezielten Unterstützung von Frauen und Mädchen sowie Minderheiten. Diese sollen Regierungen und andere Akteure in der humanitären Hilfe dabei unterstützen, ihre Maßnahmen geschlechtersensibel umzusetzen.

Lesen Sie hier die Studie in voller Länge auf Englisch.

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