Wien, 23. Februar 2022. Am kommenden Montag wird der zweite Teil des sechsten IPCC-Berichts veröffentlicht. Er wird die bisher umfassendste Bewertung der Klimaauswirkungen sein und detailliert darlegen, in welchem Ausmaß der Klimawandel das Leben, den Lebensunterhalt und das Wohlergehen der Menschen beeinträchtigt.
Selbst eine geringfügige oder vorübergehende Überschreitung des Schwellenwerts von 1,5 Grad Celsius hat für Millionen von Menschen fatale Folgen. So erwartet man bereits bei 1,2 Grad extreme Klimaschocks und Auswirkungen, die ein noch nie dagewesenes Maß an Anpassung erfordern. Für viele Gemeinschaften sind diese nicht mehr zu bewältigen. Die Folge ist eine Ära von Verlust und Schaden. Was hier nach einer drohenden Gefahr klingt, ist bereits jetzt gelebter Alltag für viele Menschen – insbesondere im globalen Süden, wo man die wenigsten Mittel hat, um damit fertig zu werden.
CARE Expert:innen aus Regionen der Welt, wo man am meisten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen ist, sprachen bei einem Online-Mediengespräch über ihre Erwartungen an den Bericht:
Chikondi Chabvuta, Advocacy Lead für das südliche Afrika, CARE International
„Wenn die Geschichten der Menschen uns nicht überzeugen, dann sollte es zumindest die Wissenschaft tun. Der IPCC-Bericht sieht unsere Realität durch eine wissenschaftliche Linse. Er hat den Großteil der Verhandlungen auf der COP26 vorangetrieben. Deshalb hoffe ich, dass die Ergebnisse gerade den Entwicklungsländern, die sehr anfällig für den Klimawandel sind, dabei helfen werden, ihre Programme und Investitionen besser an den Klimawandel anpassen zu können. Und auch als Grundlage für eine stärkere Finanzierungshilfe von Verlusten und Schäden dienen. Moral und Menschlichkeit sind gefragt. Die Länder mit den meisten Emissionen müssen aufhören, Systeme zu unterstützen, die den gefährdeten Ländern so viel wegnehmen. Es ist nicht nur ihre Welt, wir alle leben in ihr.“
Mrityunjoy Das, Programmkoordinator für Humanitäre Hilfe & Resilienz, CARE Bangladesch
„Obwohl ein kleiner CO2-Verursacher, ist auch Bangladesch nicht verschont geblieben. Geht man nach den derzeitigen Trends des Meeresspiegelanstiegs, könnte der Staat bis zum Jahr 2050 elf Prozent seines Landes verlieren. Wenn keine angemessenen Anpassungsmaßnahmen ergriffen werden, könnten 18 Millionen Menschen aus den Küstengebieten vertrieben werden. Das bedeutet, dass Bangladesch bis zum Jahr 2100 mit der größten Massenmigration in der Geschichte der Menschheit aufgrund des Klimawandels konfrontiert sein wird. Wir erwarten, dass richtungsweisende Dokumente wie der IPCC-Bericht die bereits bekannten, wissenschaftlichen Erkenntnisse und die sichtbaren Auswirkungen widerspiegeln und so die Sorgen vor Ort unterstreichen. Dieser Bericht muss die nationalen Regierungen, insbesondere die der Industrieländer, dazu motivieren, alle Anstrengungen und Finanzmittel für die Anpassung, die Abschwächung sowie den Ausgleich von Verlusten und Schäden zu mobilisieren.“
Walter Mawere, Koordinator für Advocacy und Kommunikation, CARE Somalia
„Somalia ist eines der Länder, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, aber am stärksten davon betroffen sind. Das Leben und die Lebensgrundlage der Menschen stehen auf dem Spiel, wenn die aktuellen Trends nicht umgekehrt oder Anpassungsmaßnahmen ergriffen werden. Der IPCC-Bericht kann dies mit wissenschaftlichen Erkenntnissen untermauern. Der Klimawandel hat die Häufigkeit und Schwere von Dürren verschlimmert. Fast 90 Prozent des Landes sind von einer schweren Dürre betroffen, nachdem drei aufeinanderfolgende Regenperioden ausgeblieben sind und einige Gebiete vor der trockensten Saison seit 40 Jahren stehen. In den Lagern für Binnenvertriebene leben viele Hirten und Hirtinnen, die ihre gewohnte Lebensweise aufgeben mussten, weil sie kein Weideland mehr haben, um ihre Tiere zu versorgen. Und wir sprechen immer noch über Klimaziele für das Jahr 2050. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie die Situation für diese Gemeinschaften bis dahin aussehen wird.“