Interviews
CARE Krisenreport 2024
Im Schatten der Schlagzeilen
Warum erhalten viele humanitäre Krisen, insbesondere in Afrika, so wenig Aufmerksamkeit in der globalen Berichterstattung? Welche Kriterien entscheiden darüber, welche Ereignisse Schlagzeilen machen? Und welche langfristigen Risiken entstehen durch diese mediale Vernachlässigung?
Expertinnen und Experten geben Einblicke in Mechanismen der internationalen Medienlandschaft.
Namukabo Werungha
Journalistin beim Medien- und Nachrichtenunternehmen „The New Humanitarian
Warum glauben Sie, dass bestimmte humanitäre Krisen – insbesondere in Afrika – in den internationalen Medien so wenig Beachtung finden?
Oft ist Bürokratie eine große Hürde. Im Jahr 2019 verbrachte ich einen Monat in einem afrikanischen Land, um über einen anhaltenden Konflikt zu berichten. Ich war zuversichtlich, dass dies eine „große Geschichte“ werden würde, die eine Reaktion der internationalen Gemeinschaft hervorrufen würde. Zuvor hatten wir fast ein Jahr für die Medienakkreditierung gebraucht. Doch nach unserer Rückkehr wurde unsere Akkreditierung von der Behörde des Landes widerrufen. Wir wurden streng vor schweren Konsequenzen gewarnt, falls wir die Geschichte publizieren. Nach Beratungen mit dem Rechtsteam trafen wir die unglaublich schwierige Entscheidung, nicht zu veröffentlichen, da die Geschichte viele Menschen in Gefahr gebracht hätte. Es war herzzerreißend. Fast eineinhalb Jahre Arbeit waren den Bach runtergegangen, zusammen mit Ausgaben in Höhe von über 40.000 US-Dollar.
Leider ist unsere Erfahrung kein Einzelfall. Kolleginnen und Kollegen wurden trotz gültiger Dokumente bei der Einreise abgewiesen, andere wurden inhaftiert und abgeschoben und einige wurden sogar wegen behaupteter Verbrechen angeklagt und in Haft genommen. Eine Medienakkreditierung zu bekommen, ist für internationale Journalist:innen zermürbend und wird oft durch Verzögerungen, Korruption und willkürliche Ablehnungen beeinträchtigt. Man könnte fragen: „Warum nicht mit lokalen Journalist:innen zusammenarbeiten?“ Doch die Risiken für lokale Reporter:innen sind oft noch größer. Sie sind mit strengen Medienbeschränkungen, hohen Geldbußen oder harten Gefängnisstrafen konfrontiert. Ein weiterer Punkt sind die Kosten. Selbst für Medienorganisationen, die über die finanziellen Mittel verfügen, ist das Risiko, Zehntausende von US-Dollar für eine Geschichte auszugeben, die aufgrund von rechtlichen Drohungen oder politischer Zensur möglicherweise nie veröffentlicht wird, eine große Abschreckung.
Wie entscheiden Sie, über welche Krisen Sie berichten? Gibt es bestimmte Kriterien, die berücksichtigt werden?
Bei „The New Humanitarian“ haben wir uns auf vernachlässigte Krisen spezialisiert. Wenn aber Journalist:innen keinen Zugang zum Ort haben oder die Geschichte nicht überprüfen können, rutscht sie auf der Prioritätenliste nach unten. Auch eine „chronische Krise“ kann an Priorität verlieren, auch wenn sie weiterhin dringend und ungelöst ist.
Gibt es Ihrer Meinung nach positive Entwicklungen oder innovative Ansätze, die dazu beitragen könnten, das öffentliche Bewusstsein für vernachlässigte Krisen in den kommenden Jahren zu schärfen?
Plattformen wie X, WhatsApp und Instagram haben es einfacher gemacht, lokale Stimmen zu hören. Partnerschaften mit NGOs und Interessengruppen können auch Ressourcen und Schutz für Reporter:innen vor Ort bereitstellen.
Welche Tipps würden Sie jungen Journalist:innen geben, die mehr Aufmerksamkeit auf humanitäre Krisen lenken möchten, die in den Medien unterrepräsentiert sind?
Ich würde ihnen sagen, dass es nie einen besseren Zeitpunkt gab. Mit Technikaffinität, Kreativität und sozialen Medien stehen ihnen Werkzeuge zur Verfügung, von denen frühere Generationen von Journalist:innen nur träumen konnten. Nutzt diese Möglichkeiten!
Generalleutnant Bruno Hofbauer
Stv. Generalstabschef des österreichischen Bundesheeres
Welche Erfahrung haben Sie mit Ländern, in denen Krisen zu „vergessenen Krisen“ wurden (z.B. in der Sahelzone, Zentralafrikanische Republik, Angola)?
Die Sahel-Zone ist seit Jahren ein Einsatzgebiet der Soldaten der Österreichischen Bundesheeres. Folglich habe ich die Lageentwicklung in diesem Raum sehr aufmerksam verfolgt.
Unser Report bezieht sich auf medial vergessene Krisen. Gibt es im sicherheitspolitischen/ militärischen Kontext ebenfalls eine Einordnung/Definition zu vergessenen, zu wenig beachteten Krisen?
Eine spezifische Definition liegt nicht vor.
Wie schätzen Sie die langfristigen (sicherheitspolitischen) Risiken ein, die durch unzureichend beachtete Krisen entstehen können?
Diese Krisen tragen ein erhebliches Eskalationspotenzial in sich. Die Ukraine kann uns hier auch als mahnendes Beispiel dienen, denn nach den Kämpfen im Donbas 2014 verschwand dieser Konflikt zunehmend aus dem Bewusstsein und eine mögliche Eskalation wurde bis 2021 kaum einer breiteren Öffentlichkeit bewusst.
Die aktuellen Konflikte überlagern all jene Krisen, die bereits vor dem Krieg in der Ukraine vorhanden waren und die zwischenzeitlich nicht verschwunden, sondern im Gegenteil teilweise noch stärker ausgeprägt sind (Auswirkungen des Klimawandels, Migration, Terrorismus …). Hinzu kommt das mangelnde Interesse an Räumen, die weit außerhalb des Bewusstseins der Bevölkerung liegen, weil oft gar nicht bekannt ist, wo diese Länder liegen.
Warum glauben Sie, dass afrikanische Länder (mit Ausnahme des Sudan, der sogar zu den am häufigsten gemeldeten humanitären Krisen im Jahr 2024 gehört) in der weltweiten Medienberichterstattung zu wenig Aufmerksamkeit erhalten?
Die krisenhaften und kriegerischen Geschehnisse auf der Welt, speziell in Europa und im Nahen Osten, haben nicht ausreichend Platz für die mediale Berichterstattung gelassen. Somit haben diese anderen Krisen auch keinen Weg in das öffentliche Bewusstsein gefunden.
Welche Erfahrungen haben Sie in der Zusammenarbeit mit NGOs in Krisengebieten, insbesondere in Regionen, die nur wenig mediale Aufmerksamkeit erhalten?
Ich habe im Rahmen meines Einsatzes in Bosnien EUFOR ALTEA eng mit NGOs zusammengearbeitet.
Dolika Banda
Expertin für Entwicklungsfinanzierung, ehemalige Direktorin bei der International Finance Corporation und der Weltbankgruppe, Vorstandsmitglied von CARE USA
Warum glauben Sie, dass afrikanische Länder (mit Ausnahme des Sudan, der 2024 zu den Ländern mit humanitären Krisen gehörte, über die am meisten berichtet wurde) in der globalen Berichterstattung wenig vorkommen?
Unsere Welt reagiert auf Krisen, die Schlagzeilen machen. Sich langsam entwickelnde Ereignisse scheinen nicht berichtenswert. Auch die Vertreibung von afrikanischen Binnenflüchtlingen war medial lange unsichtbar. Erst als Menschen ihr Leben riskierten, um über das Meer zu fliehen, wurde dies als internationale Flüchtlingskrise eingestuft.
Außerhalb des afrikanischen Kontinents fordern neue Krisen wie jene in Gaza oder der Ukraine Aufmerksamkeit. Dazu kommt die geopolitische Relevanz eines Landes. Wird diese nicht als hoch eingeschätzt, hat das Land keine Priorität in der Berichterstattung.
Sind die Medien schuld daran, dass chronische Krisen in Afrika in der Regel vergessen werden?
Medien spielen eine Rolle. Es gibt eine Handvoll, die globalen Einfluss haben. Dazu gehören Al Jazeera, BBC, CNBC, CNN und CGTN. Medien sollten weniger über die Krisen, sondern über Ursachen und Lösungen berichten. Allerdings ist es nicht die Schuld der Medien, dass Krisen vernachlässigt werden.
Was wäre notwendig, damit die oft chronischen Krisen in Afrika mehr Aufmerksamkeit erhalten?
Ich habe keine Antwort auf diese Frage. Ich sähe es lieber nicht auf den Titelseiten, dass wieder einmal ein afrikanisches Land seine Angelegenheiten nicht im Griff hat. Ich möchte nicht, dass diese und die nächste Generation mutiger, begabter und kreativer Afrikaner:innen mit diesem Stigma leben. Seit Jahrhunderten raubt uns dies unseren Stolz und unsere Würde.
Was können wir als Hilfsorganisation tun, um die Aufmerksamkeit für diese Krisen zu erhöhen?
Suchen Sie nach Afrikaner:innen auf afrikanischem Boden, die als Sprachrohr für ihre Sache dienen können. Hören Sie den betroffenen Gemeinschaften zu, wenn es um Prävention geht. Das verhindert, dass sich Ereignisse in Katastrophen verwandeln.
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Faith Phiri
Executive Director – Girls Empowerment Network (GENET), Blantyre (Malawi)
Warum sollte Malawi in den internationalen Medien mehr Beachtung finden?
Malawi verdient mehr Anerkennung für seine Herausforderungen, die Millionen Menschen, besonders Mädchen und junge Frauen, betreffen. Kinderheirat, Bildungsdefizite, ungleiche Gesundheitsversorgung und Klimaschocks verschärfen die Lage. Internationale Aufmerksamkeit kann lokale Bemühungen zur Verbesserung von Gemeinschaften, Infrastruktur und nachhaltiger Entwicklung stärken. Zudem würde sie die Widerstandsfähigkeit und den Einsatz malawischer Frauen und Mädchen würdigen, die trotz aller Widrigkeiten Wandel bewirken.
Haben Sie Empfehlungen, wie das gelingen kann?
Wichtig ist, über langfristige Themen zu berichten, anstatt nur auf „Eilmeldungen“ zu fokussieren. Dies könnte investigative Beiträge umfassen, die Fortschritte und Herausforderungen in Malawi aufzeigen. Geschichten, die sich nur auf Krisen konzentrieren, können bei den Zuschauern zu Mitleidsmüdigkeit führen. Eine ausgewogene Berichterstattung über Widerstandsfähigkeit, Innovation und positiven Entwicklungen kann das Interesse des Publikums wecken.
Über GENET
Girls Empowerment Network (GENET) ist eine feministische, frauengeführte lokale Organisation in Malawi, die mit Mädchen und jungen Frauen zusammenarbeitet und deren Rechte auf Autonomie und Selbstbestimmung fördert.
Interviews zum Krisenreport 2023
David Mutua
CARE Regional Communications Advisor im östlichen, zentralen und südlichen Afrika
Sind die Medien schuld, dass chronische Krisen in Afrika vergessen werden?
Es wäre nicht richtig zu sagen, dass Medien schuld daran sind, dass chronische Krisen in Afrika vergessen werden. Hier spielen eine Reihe systemischer Faktoren eine Rolle, darunter Zugang, geopolitische Zusammenhänge, internationale Politik, humanitäre Hilfe und globale Machtstrukturen. Die Medien berichten das, was ihr Publikum am meisten interessiert. Medienhäuser haben drastische Veränderungen durchgemacht, die sich auf den Personalstand und damit auf die Ressourcen auswirken, die für die Krisenberichterstattung eingesetzt werden können. Dennoch können eine stärkere Sensibilisierung und eine nachhaltige Berichterstattung politische Entscheidungsträger:innen und die Öffentlichkeit ermutigen, zu handeln und Lösungen zu unterstützen, um die seit langem bestehenden Probleme in Afrika und anderen Regionen mit ähnlichen Herausforderungen anzugehen. Es ist wichtig, Wege zu finden, das Interesse des Publikums für Krisen zu wecken und somit die Aufmerksamkeit der Medien zu steigern.
Sie arbeiten schon seit vielen Jahren daran, für CARE über die Situation in afrikanischen Ländern zu berichten. Ist es schwer, für Krisen in afrikanischen Ländern globale Aufmerksamkeit zu erhalten?
Es ist durch viele Faktoren herausfordernd, globale Aufmerksamkeit zu erhalten. Einer davon ist, dass Medien verzerrt und einseitig berichten. Das zeigt sich daran, dass Krisen in anderen Regionen mehr Sendezeit und Berichterstattung erhalten als solche in Afrika. Dieser Media Bias kann auch den falschen Eindruck erwecken, dass einige der Krisen hoffnungslos sind und kein Ende in Sicht ist. Das führt zur Ermüdung der Spender:innen. Geber schalten gedanklich ab, weil sie davon ausgehen, dass nichts getan werden kann oder, dass Mittel schlecht verwaltet werden, obwohl Organisationen über solide Maßnahmen verfügen, um das zu verhindern. Erschwerter Zugang stellt eine große Herausforderung für Journalistinnen und Journalisten dar, die über eine Krise berichten wollen, es aber nicht können.
Was wäre nötig, damit Krisen am afrikanischen Kontinent mehr Aufmerksamkeit in den Medien erhalten?
Um diese Ziel zu erreichen, ist es notwendig, dass sich die klischeehafte und stereotype Art, wie Geschichten erzählt und verpackt werden, ändert. Dies lässt sich durch eine ausgewogene und nuancierte Berichterstattung erwirken. Auch ist diverses Wissen in den Redaktionen entscheidend. Geschichten aus Afrika werden am besten von denjenigen erzählt, die die Zusammenhänge und Situationen in Afrika verstehen. Medienschaffende, die die Geschichte und die aktuellen Herausforderungen des Kontinents verstehen, sind besser in der Lage, genau und objektiv über die Krisen in der Region zu berichten. Medienvertreter:innen müssen darin geschult werden, wie sie sensibel und genau über Afrika berichten. Dabei können Themen wie die Geschichte und die Politik der afrikanischen Länder behandelt werden, aber auch, wie Krisenberichterstattung Betroffenen gegenüber respektvoll sein kann. Krisen in den Vordergrund zu rücken, ist eine gemeinsame Anstrengung.
Was kann CARE tun, um die Aufmerksamkeit zu erhöhen?
CARE ermutigt Journalistinnen und Journalisten, umfassendere Themen zu behandeln, auch solche, die oft übersehen werden. Wir unterstützen Medienorganisationen, die vertiefend und investigativ berichten. Wir schaffen Zugang zu Orten, wo wir arbeiten, die schwierig zu erreichen sind. Dazu gehören finanzielle Unterstützung, Hilfe beim Einholen von Genehmigungen und Treffen mit Entscheidungsträger:innen. Wir versuchen die Öffentlichkeit für die Bedeutung von Diversität in den Medien und die Notwendigkeit einer ausgewogeneren Berichterstattung zu sensibilisieren. Durch unsere Social-Media-Kanäle und andere Plattformen verschaffen wir den Stimmen derer Gehör, die von vergessenen Krisen betroffen sind.
Warum gibt es in Afrika so viele humanitäre Krisen?
Mehrere Gründe haben zu den vielen humanitären Problemen auf dem Kontinent geführt. Der Klimawandel ist ein Hauptfaktor. Von verheerenden Dürren bis hin zu extremen Überschwemmungen – der Kontinent leidet am meisten unter dem Klimawandel, trägt aber am wenigsten dazu bei. Wirbelstürme haben an Intensität zugenommen, und Plagen biblischen Ausmaßes verwüsten Länder und führen zu Krisen. Zweitens hat die globale Ungleichheit große Auswirkungen auf den Kontinent. Die untergeordnete Rolle Afrikas in den globalen Entscheidungsmechanismen und sein deutlich geringerer Anteil an der internationalen Hilfe erschweren die Bewältigung der Probleme und die Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegen humanitäre Krisen. Durch unzureichende Unterstützung haben die afrikanischen Nationen Mühe, dem Kreislauf aus Armut, Konflikten und Katastrophen zu entkommen. Armut ist eine große Herausforderung in Afrika. Millionen Menschen leben unterhalb der internationalen Armutsgrenze von 1,90 Dollar pro Tag. Ungeeignete Regierungssysteme schränken die Fähigkeit ein, wirksam auf humanitäre Krisen zu reagieren. Korruption, mangelnde Transparenz und unzureichende Rechenschaftspflicht behindern die Verteilung von Hilfsgütern und grundlegenden Dienstleistungen an gefährdete Gruppen und verschärfen Probleme.
Was wird die größte Herausforderung für den Kontinent in den kommenden Jahren sein?
Ich denke, dass Konflikte, der Klimawandel und die wachsende Ungleichheit zwischen den Besitzenden und den Besitzlosen die größten Herausforderungen der nächsten Jahre sein werden.
Du bist mit so vielen Krisen konfrontiert. Was gibt dir Zuversicht für deine Arbeit als humanitärer Helfer?
Es ist sehr inspirierend, mit entschlossenen und engagierten Menschen zusammenzuarbeiten. Die unerschütterliche Widerstands- und Anpassungsfähigkeit, die sowohl die betroffenen Menschen als auch die humanitären Organisationen an den Tag legen, sind ein Leuchtfeuer der Hoffnung und Inspiration. Es ist erfüllend zu sehen, wie sich unsere Arbeit spürbar auswirkt.
Aus unserer Medienanalyse wissen wir, dass die Berichterstattung über den neuen Barbie-Film fast 300.000 Online-Artikel generierte, während über die humanitäre Situation in Sambia nur 1.371 Mal berichtet wurde. Was sagst du dazu?
Die einseitige Berichterstattung beeinträchtigt die öffentliche Wahrnehmung, indem sie den Schwerpunkt zu sehr auf Unterhaltung legt und die Bedeutung kritischer globaler Probleme vernachlässigt. Außerdem werden dadurch Bemühungen behindert, dringende soziale und humanitäre Probleme anzugehen. Das richtige Gleichgewicht zwischen Nachrichten und Unterhaltung ist wichtig.
Kirobi Zelipha
Freiberufliche Journalistin bei Associated Press (AP) in Kenia
Welchen Ländern wird Ihrer Meinung nach zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt?
Der Demokratischen Republik Kongo und Somalia. Das ist auf anhaltende Kriege zurückzuführen, die die Regionen zu einem hohen Risiko machen und zu einer „Ermüdung“ führen. Ermüdung insofern, als das Thema medial nicht die Aufmerksamkeit erhält, die es verdient.
Warum wird die Situation in vielen afrikanischen Ländern von großen Krisen wie in der Ukraine oder im Nahen Osten überschattet?
Damit afrikanische Krisen die erforderliche Aufmerksamkeit erhalten, müssen die Medien bei der Berichterstattung über afrikanische Krisen objektiv und überlegt vorgehen. Die afrikanischen Medien treiben bestimmte Themen, die den Kontinent betreffen, nicht voran. So wurde beispielsweise ständig zur besten Sendezeit über die Ukraine berichtet. Das beeinflusste die öffentliche Meinung, die Ukraine erhielt massive Hilfe. So hat Afrikas Medienwelt die eigenen Krisen übersehen. Dabei sollten sie objektiv sein und sehr bewusst an die Krisen innerhalb Afrikas herangehen und Narrative vorantreiben, die die Krisen des Kontinents beleuchten.
Auch Kosten und Risiken der Krisenberichterstattung sind ein Hindernis. In der Regel handelt es sich um Hochrisikogebiete, für die Medien ihre Mitarbeiter:innen speziell in Kriegs- und Konfliktberichterstattung schulen müssen. Auch die Arbeit von freiberuflichen Journalistinnen und Journalisten ist in solchen Gebieten teuer. Aus Kostengründen neigen Medien dazu, diese Regionen zu meiden und sich auf weniger riskante Gebiete zu konzentrieren. Die Überschwemmungen in Ostafrika haben kritische Schäden am Straßennetz verursacht. Die Berichterstattung erfordert hier den Einsatz von Hubschraubern, Drohnen und anderer Spezialausrüstung. Das ist sehr teuer. Und schließlich hat sich die internationale Gemeinschaft in die Probleme Afrikas eingemischt. Sie hält die Medien aus den Konflikten heraus, die sie teilweise geschaffen und angeheizt hat – meiner Meinung nach auch um Kritik und Kontrolle zu vermeiden. Die Plünderung enormer Ressourcen zählt hier auch dazu.
Was wäre Ihrer Meinung nach notwendig, damit (chronische) Krisen in Afrika mehr Aufmerksamkeit erhalten?
Die afrikanischen Medien sollten objektiv und bewusst über Themen berichten, die den Kontinent betreffen. Mehr finanzielle Mittel für Medien werden entscheidend sein, damit sie ihre Arbeit leisten können. Berichterstattung über Kriege und Konflikte, die öffentliche Gesundheit und den Klimawandel sollte im Fokus stehen. Kapazitätsaufbau und entsprechende Schulungen sind ebenso wichtig, damit über solche Krisen berichtet werden kann.
Wir wissen aus unserer Analyse, dass über den neuen Barbie-Film fast 300.000 Online berichtet wurde, über die humanitäre Situation in Sambia hingegen nur 1.371 Mal. Was sagen Sie dazu?
Was den Film betrifft, so müssen wir uns im Klaren sein, dass wir es mit unterschiedlichen Zielgruppen zu tun haben. Die Rezeption ist anders als die von Nachrichten. Bei Filmen wird digitales Marketing und Werbung betrieben. Dennoch spricht es Bände, dass man Inhalte bewusst an das Publikum herantragen muss.
Gibt es noch etwas, das Sie uns mitteilen möchten?
Afrika ist in den internationalen Medien kaum sichtbar. Die internationalen Medien sollten afrikanische Themen mit dem gleichen Nachdruck behandeln, wie sie es bei der Ukraine und im Nahen Osten tun.