Vom Haus, wo Elcin mit ihrer Familie lebte, ist nur Schutt geblieben. Jeden Tag geht sie daran vorbei. Auf ihrem rechten Unterarm ist auf einer Tätowierung ein Bild ihrer Kinder zu sehen – in einer Umarmung. Sie starben im Februar 2023 in den Trümmern ihres Hauses. Bei dem Erdbeben verlor sie auch ihre Mutter. Nur Elcin und ihr Vater überlebten.
„Ich vermisse die Stimmen meiner Kinder, die Stimme meiner Mutter. Ich vermisse es, ihre Gesichter zu berühren, mit ihnen zu spielen. Ich vermisse alles an ihnen“, sagt Elcin. Die sengende Hitze drückt auf den Container, in dem sie mit ihrem Vater untergekommen ist. Die schwer getroffene Region Hatay im Süden der Türkei ist noch immer von Zerstörung gezeichnet. In der Türkei und in Syrien starben bei dem Beben mehr als 60.000 Menschen. Hunderttausende wurden verletzt, Millionen vertrieben.
In Elcins Heimatstadt stürzten unzähligen Gebäude und Häuser ein oder wurden stark beschädigt. Die Aufbauarbeiten laufen seit eineinhalb Jahren. Die Stadt gleicht einer gigantischen Baustelle. Überall ist Schutt, dazwischen stehen Baufahrzeuge und Kräne.
Die Stille in Elcins Wohncontainer wird vom Miauen zweier Katzenbabys durchbrochen, die sie aufgenommen hat. Sich um die beiden zu kümmern und Verantwortung zu übernehmen, ist wie eine Therapie für Elcin. „Von außen sehe ich gut aus, ich wirke stark, aber in mir drin habe ich zu kämpfen“, sagt Elcin. „Es hilft, sich um die Tiere zu kümmern. Wenn sie zu uns kommen, wenn sie unsere Stimmen hören und etwas von uns erwarten. So überleben wir.“
Die Auswirkungen des Erdbebens sind enorm. Viele Menschen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben oder Angehörige verloren haben, haben nun psychische Probleme. Elcin weiß das. Sie hat es selbst erlebt. Aber sie gibt nicht auf. Wenn Elcin die Freund:innen ihrer Kinder trifft, umarmen sie einander. „Ich möchte ihnen Hoffnung geben“, sagt sie.
Elcin hat zwei Kätzchen aufgenommen. Sich um die Kleinen zu kümmern, ist wie eine Therapie für sie. Foto: CARE Türkei
Elcin geht jeden Tag an der Stelle vorbei, wo früher ihr Haus stand. Die Erinnerung an ihre Kinder begleitet sie. Foto: CARE Türkei
Trotz des laufenden Wiederaufbaus sind die Auswirkungen des Erdbebens in der Region noch spürbar. Die Infrastruktur ist beschädigt, es gibt immer wieder Wasserknappheit. Viele Menschen in der Region haben ihre Einkommensquelle verloren.
Nachdem sie in ihrem alten Job bei einer Zeitung kein Gehalt mehr bekam, fand Elcin eine neue Arbeit. Trotzdem ist es für sie und viele andere Menschen in der Stadt eine große Herausforderung, an das Nötigste zum Leben zu kommen. „Wir brauchen vor allem Hygieneartikel und Nahrungsmittel, denn der Zugang dazu ist jetzt schwieriger“, sagt Elcin. Sie appelliert daran, die Menschen in Hatay nicht zu vergessen. Sie hat eine Botschaft: „Lebt im Jetzt! Schätzt jeden Moment, den ihr habt!“
So hilft CARE: Mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union leistet CARE den vom Erdbeben betroffenen Menschen dringend benötigte Hilfe. Durch die Verteilung von Trinkwasser, Nahrungsmitteln, Hygienesets, Küchenutensilien und Latrinen sowie durch die Bereitstellung von Schutzeinrichtungen, Unterkünften und sicherem Zugang zu sanitären Anlagen konnten Tausende Menschen in mehreren vom Erdbeben betroffenen Provinzen der Türkei und Syriens unterstützt werden. Nach der unmittelbaren Unterstützung erhalten die Menschen mittlerweile vor allem Bargeldhilfe. Damit können sie die Waren kaufen, die für sie derzeit wichtig sind.