"Ich habe zwei Mal mein Zuhause verloren"

Als Aya 2011 als Teenager in die Türkei kam, hatte sie keine Bleibe. Ihre Familie hatte Ayas im Krieg in Syrien schwer verletzten Bruder in eine türkische Klinik in Sicherheit gebracht und war nicht auf einen Abschied auf Dauer vorbereitet. „Wir hatten keine Zeit, etwas in die Türkei mitzunehmen. Vier Monate lang schliefen wir im Krankenhaus oder auf Parkbänken unter freiem Himmel. Eines Tages gab uns eine nette türkische Frau Kleidung und eine Unterkunft“, sagt Aya. „Wir hatten nicht vor, in der Türkei zu bleiben, aber der Krieg in meiner Heimat schritt voran. Unsere Heimatstadt Aleppo war dann auch betroffen. Wir saßen fest.“

Kurz danach erfuhr Aya, dass sie schwanger war. Sie brauchte Monate, um ihren Mann in Syrien zu finden, weil durch den Krieg die Verbindungen über Internet und Telefon unterbrochen waren. Als sie ihn endlich erreichte, schrieb er: „Bist du es wirklich?“ Es dauerte ein Jahr, bis Aya ihren Mann wiedersehen konnte. Viermal versuchte er vergeblich, die Grenze zu überqueren. Zuletzt versteckte er sich unter Zuckersäcken auf der Ladefläche eines Lastwagens und gelangte in die Türkei. „Nach drei Stunden Autofahrt mit unserer neugeborenen Tochter, Sila, konnte ich ihn endlich umarmen“, erinnert sich Aya. „Er nahm Sila in die Arme und ließ sie nicht mehr los, bis wir unser neues Zuhause in der Türkei erreichten. Gemeinsam bauten wir uns hier ein Leben auf und bekamen unseren Sohn Qusay. Er ist mittlerweile fünf Jahre alt.“

Aya arbeitet für CARE als „Community Activator“ in einem von der Europäischen Union (EU) unterstützten Projekt. Sie ist Teil einer Frauengruppe, in der wichtige Themen angesprochen werden. Durch Information und Bewusstseinsbildung ist es ihr gelungen, zu verhindern, dass Mädchen früh verheiratet werden. Aya erinnert sich an eine 16-Jährige, die im Gespräch mit ihr sagte, dass sie die Hochzeit nicht wolle. „Daraufhin redete ich mit ihrer Mutter über die Gefahren für das Leben und die Gesundheit ihrer Tochter. Das Mädchen könnte sterben, wenn sie zu früh schwanger wird. Die Mutter sagte die Heirat ab“, erzählt Aya. Sie hat selbst jung geheiratet. „Meine Erfahrungen helfen mir dabei, andere zu beraten. Meine Ehe ist glücklich, aber das muss nicht immer der Fall sein“, erklärt Aya. „Mit meiner Arbeit als Community Activator kann ich etwas in der Gesellschaft bewirken und zum Besseren verändern.“

Erfahren Sie mehr über das Projekt, in dem Aya tätig ist.

Aya kommt aus Syrien und arbeitet in der Türkei für ein von der EU unterstütztes Projekt für Geflüchtete. Aya kommt aus Syrien und arbeitet in der Türkei für ein von der EU unterstütztes Projekt für Geflüchtete.

Im Februar traf Aya und ihre Familie das schwere Erdbeben in der Türkei. In einer Gegend, in der die Menschen daran gewöhnt sind, dass häufiger Beben auftreten, fiel ihr gleich auf, dass die Erdstöße diesmal lange dauerten. „Es hat stark gewackelt und es war so dunkel, weil es keinen Strom gab. Überall schrien Menschen. Unsere Wohnung lag im 5. Stock, und wir brauchten fast zehn Minuten, um hinauszukommen. Vieles war zerstört, Steine fielen herunter“, berichtet Aya. „Im Treppenhaus sah ich eine alte Frau, die unter einer Wand eingeklemmt war. Ich weiß nicht, woher ich die Kraft hatte, um sie herauszuholen, aber ich habe es geschafft.“

Aya und ihre Familie mussten die ersten Tage in einer Moschee Zuflucht suchen und am Boden schlafen. „Wir bekamen Essen und Decken, aber es waren zu viele Leute und oft blieb nichts für uns übrig“, sagt Aya. „Wir mussten dann wieder auf einer Parkbank unter freiem Himmel schlafen – genau wie bei unserer Flucht aus Syrien. Als wir drei Wochen später in unsere Wohnung zurückkehrten, war fast alles gestohlen. Jedes elektronische Gerät, vom Fernseher bis zum Kühlschrank, war weg.“ Ayas neun Jahre alte Tochter Sila war nach dem Erdbeben im Schock und traumatisiert. Sie wollte lange nicht nach draußen gehen und hatte große Angst.

Aya hat ihre Heimat in Syrien verloren. Auch in der Türkei wurde bei dem Beben ihr Zuhause zerstört. „Das war verheerend für uns. Aber ich bin dankbar. Wir haben überlebt. Wir sind zusammen“, sagt Aya. „Und mit CARE kann ich etwas Sinnvolles tun und mit dem, was ich gelernt und erlebt habe, eine bessere Zukunft mitgestalten.“

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