Eyerus war 14 Jahre alt, als sie hörte, dass ihr Vater einen Heiratsantrag für sie angenommen hatte. In Äthiopien sind frühe Ehen vor allem in ländlichen Regionen weit verbreitet. „Ich war sehr deprimiert und wütend“, erinnert sich Eyerus. „Warum sollte ich heiraten? Ich wollte nicht aufhören, zur Schule zu gehen.“ Eyerus beschloss, sich nicht einfach zu fügen und begann, für ihre Bildung zu kämpfen. Sie wandte sich an den Direktor ihrer Schule und bat um Hilfe. Der Direktor leitet eine SAA-Gruppe (Social Analysis and Action) von CARE. In diesen Gruppen kommen Gemeindemitglieder zusammen, um über soziale Normen und Traditionen zu sprechen, sie zu hinterfragen und zu verändern.
Eyerus sammelte Argumente gegen ihre geplante Heirat. Sie verhandelte so lange mit ihrem Vater Derso, bis er ihre Ansicht akzeptierte. Er sagte die Hochzeit ab und gab die 7.000 äthiopischen Birr (etwa 133 Euro) zurück, die er bereits von der Familie des Bräutigams erhalten hatte. „Ich habe verstanden, dass sich unsere Gemeinschaft verändern muss und die einzig richtige Konsequenz gezogen“, erklärt Derso und sieht seine Tochter stolz an. Er stimmt zu, seine Tochter wieder zur Schule gehen zu lassen. „Ich erzähle jetzt sogar meinen Nachbar:innen, dass es wichtig ist, dass Mädchen ihre Ausbildung fortsetzen“, sagt Derso.
„Ich habe verstanden, dass sich unsere Gemeinschaft verändern muss und die einzig richtige Konsequenz gezogen.“
Eyerus mit ihrem Vater. Foto: Sarah Easter/CARE
Frühe Ehen bringen für Mädchen gesundheitliche Gefahren. Bei Schwangerschaft und Geburt ist das Risiko für Komplikationen erhöht. Dazu kommen häufig wirtschaftliche Probleme, häusliche Gewalt und soziale Diskriminierung. Zum Weltmädchentag (11. Oktober) macht CARE darauf aufmerksam, wie wichtig es ist, die Jugendlichen davor zu schützen und ihr Recht auf Bildung und Selbstbestimmung zu wahren. In Äthiopien unterstützt CARE dörfliche Gemeinschaften dabei, keine Kinderehen mehr zuzulassen. Wie im Fall von Eyerus bringen oft Gruppen, in denen über soziale Normen gesprochen wird, Umdenken und Veränderung.
CARE fördert auch Mädchengruppen an Schulen, in denen sich Schülerinnen über Probleme austauschen und Selbstbehauptung trainieren können. „Es war ein gutes Gefühl, meinen Vater umstimmen zu können“, sagt Eyerus. „Ich habe in der Mädchengruppe verhandeln gelernt. Ich habe auch gelernt, selbstbewusst aufzutreten.“ Ihre Freundin Tadella pflichtet ihr bei. „Wenn meine Eltern wollen, dass ich früh heirate, werde ich Nein sagen“, sagt sie mit Entschiedenheit. „Ich will Ärztin werden und Leben retten.“